Als Orientierungshilfe für alle Sanitäter:innen, Notärzt:innen sowie betroffene Patient:innenbitten haben wir die wahlwerbenden Parteien für die bevorstehende Nationalratswahlum Stellungnahme zu den unten angeführten Fragestellungen hinsichtlich der Weiterentwicklung des Rettungsdienstes in Österreich gebeten. Alle neun bundesweit kandidierenden Parteien haben sich zurückgemeldet. Hier findet ihr die Antworten.
Anmerkung: Reihenfolge der Antworten nach dem letzten Ergebnis der Nationalratswahl; allgemeine Antworten ganz unten.
ÖVP
Das Sanitätergesetz ist in die Jahre gekommen und bedarf einer Anpassung an die aktuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten.
SPÖ
Die Ausbildungsdauer von Sanitäter:innen in Österreich entspricht weder dem europäischen noch dem internationalen Niveau. Die größte Gruppe der Rettungssanitäter:innen (mehr als 80%) verfügt über lediglich 260 Stunden Ausbildungszeit – das ist die kürzeste Ausbildungsdauer und damit die niedrigste Einstiegsqualifikation unter allen gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen. Eine Neuregelung der Ausbildung ist dringend notwendig und wird von uns auch entsprechend forciert.
FPÖ
GRÜNE
NEOS
Wir fordern eine bessere Kompetenzanerkennung von Gesundheitsberufen und eine Erweiterung dieser Kompetenzen. Eine Novelle des Sanitätergesetzes sehen wir als notwendigen Teil dieser Forderung zur Entlastung des Gesundheitssystems und einer Attraktivierung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe.
KPÖ
Die KPÖ sieht ihre Rolle als die einer Oppositionspartei. Wir sprechen uns aber dafür aus, dass die Modernisierung des in die Jahre gekommen SanG prioritär behandelt wird und unterstützen die Vorschläge der Arbeiterkammer und der Initiative Zukunft Rettungsdienst.
KEINE
Unser Gesundheitssystem kracht an allen Ecken und Enden. Eine umfassende Gesundheitsreform ist daher nicht nur notwendig, sondern steht – wie man auch unserer Wahlkampagne entnehmen kann – für uns an oberster Stelle. In diesem Rahmen streben wir weitreichende Gesetzesänderungen inkl. einer Novellierung des SanG an.
ÖVP
Wir bekennen uns zur Weiterentwicklung des Berufsrechts und haben diesbezüglich bereits in dieser Legislaturperiode viele Stakeholder-Gespräche und Diskussionsrunden geführt. Wichtig wird sein, dass neben einem attraktivierten hauptberuflichen Zweig das Ehrenamt einen ebenso sinnvollen wie attraktiven Platz in der Versorgungskette erhält. Dafür werden uns in der kommenden Legislaturperiode einsetzen.
SPÖ
Wir halten den Vorschlag der Initiative Zukunft Rettungsdienst für nachvollziehbar und schlüssig. Die Ausbildung und Qualifikationsstufen müssen jedoch so gestaltet werden, dass im Krankentransport weiterhin auch Zivildiener, Personen aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr und Ehrenamtliche eingesetzt werden können.
FPÖ
GRÜNE
NEOS
KPÖ
Wir unterstützen die Vorschläge nach einer Modernisierung und Aufwertung der Ausbildung, insbesondere für bundesweit einheitliche Vorgaben und eine Angleichung an internationale Ausbildungssysteme. Die geforderte Berufsdurchlässigkeit halten wir für besonders wichtig.
KEINE
Einer Erweiterung der Weiterbildungsmöglichkeiten stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber. In diesem Sinne sind wir der Ansicht, dass Rettungsorganisationen immer Weiterbildungen ermöglichen sollen und dass, wenn diese intern nicht angeboten werden können, diese extern erfolgen können sollen.
Höherqualifizierungen sollen aber niemals verpflichtend sein. Wir sind der Ansicht, dass, wenn eine Person ihre Arbeit gut macht, dieser eine Anerkennung gebührt, die nicht erst durch Höherqualifizierung erworben werden muss. Im Übrigen ist die bestehende Ausbildung für reguläre Krankentransporte in den meisten Fällen ausreichend. Es braucht viele Leute im Rettungsdienst, die ihre Arbeit gut und gerne machen. Dem wollen wir nicht entgegenwirken.
ÖVP
Es wird erforderlich sein, die Rolle, welche dem Rettungswesen im Rahmen einer sinnvollen Patientenberatung und -lenkung zukommen soll, im Rahmen der Neugestaltung von 1450 und anderen Anlaufstellen integriert zu denken. Daran anknüpfend sind auch die Anforderungen und erforderlichen Qualifikationen zu definieren und in der Ausbildung umzusetzen. Durch eine solche Vorgehensweise kann das maximale Potential gehoben werden, das in einer besseren und adäquaten Versorgung am „best point of service“erreicht werden kann.
SPÖ
Im Hinblick auf die Personalknappheit im Gesundheitswesen ist jede zusätzliche Fachkraft von hoher Bedeutung. Die Durchlässigkeit innerhalb der Gesundheitsberufe muss künftig verstärkt möglich werden. Die kurze Ausbildungsdauer der Sanitäter:innen verhindert die Durchlässigkeit in andere Gesundheits- und Sozialberufe und die Berufsanerkennung in anderen EU-Mitgliedstaaten. Berufsangehörige benötigen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, um langfristig im Beruf zu bleiben. Vor allem braucht es aber in allen Gesundheitsberufssparten rasch Ausbildungsinitiativen, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. In den allermeisten Gesundheits- und Sozialberufen werden neue Berufsangehörige dringend benötigt, um den Abgang durch Pensionierungen und den demografisch bedingten steigenden Bedarf abdecken zu können. Zudem müssen in der Praxis möglichst gut qualifizierte Personen mit hoher Versorgungswirksamkeit tätig sein, wenn schon die ausreichende Anzahl von Kolleg:innen schwierig sicherzustellen ist. Personen, die an einer Ausbildung oder an einer Weiterbildung zu höheren Qualifikationen in einem Gesundheits- oder Sozialberuf interessiert sind, dürfen nicht aus finanziellen Gründen daran scheitern. Das betrifft vor allem auch Quereinsteiger:innen, die etwa in den Pflegeberufen einen hohen Anteil an Neuqualifizierungen ausmachen. Wir brauchen alle Menschen, die engagiert in diesen Berufen arbeiten wollen, da demografisch bedingt die Angebote an Gesundheits- und Langzeitpflegeleistungen sowie in der Sozialen Arbeit ausgebaut werden müssen. Das gelingt nur mit ausreichend Nachwuchs beim Fachpersonal. Daher braucht es die Existenzsicherung während der Aus- und Weiterbildung für Gesundheits- und Sozialberufe und eine kostenfreie Ausbildung.
FPÖ
GRÜNE
NEOS
Wir finden eine Durchlässigkeit zwischen Pflege- und Sanitäterberufen sehr positiv. Gerade Modellprojekte zu Community Nurses oder Acute Community Care zeigen, dass es hier ein großes Potenzial zur Weiterentwicklung von Gesundheitsberufen und Verbesserung der niederschwelligen Versorgung gibt. Wichtig wäre daher bei der Einführung einer vertiefenden Sanitäterausbildung, dass eben die Durchlässigkeit zwischen Berufen gegeben ist. Um dem Personalmangel nachhaltig entgegenzuwirken, braucht es aber jedenfalls eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um Personen länger in den Berufen zu halten.
KPÖ
Ein erweitertes Einsatzspektrum für Notfallsanitäter:innen kann jedenfalls Entlastungen im Gesundheitssystem bringen und Maßnahmen dazu müssen mit Expert:innen, also dem Personal selbst, entwickelt werden. Klar ist aber darüber hinaus, dass es deutlich mehr Menschen braucht, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten möchten. Hier fällt den Rettungsorganisationen eine besondere Chance zu: Wenn die Bedingungen gut sind können Ehrenamtliche oder Zivildiener motiviert werden in Gesundheitsberufen tätig zu werden, dafür muss es die bestmögliche Unterstützung geben.
KEINE
Eine Höherqualifizierung von Notfallsanitäter:innen als alleinige Maßnahme gegen den bestehenden Personalmangel wäre ein schlechter Witz, denn der aktuelle Personalmangel hat aus unserer Sicht wenig mit der derzeitigen Qualifikation der Notfallsanitäter:innen zu tun, sondern in sehr viel größerem Maße mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen (inkl. Bezahlung), die eine hohe Fluktuation produzieren und diese so wertvolle Arbeit unattraktiv machen. Für uns stehen daher diese Aspekte im Vordergrund.
ÖVP
Das Rettungswesen muss wie zu 3. bereits angeführt als wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gesehen werden. Selbstverständlich werden Transportdienste auch weiterhin erforderlich sein, angereichert durch inhaltliche Aufgaben. Das muss dann entsprechend abgebildet werden.
SPÖ
Der Rettungsdienst sollte weit mehr als ein Transportdienstleister sein. Mit der entsprechenden Ausbildung können Sanitäter:innen eine Schlüsselrolle in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einnehmen. Bei der Erbringung medizinischer Leistungen soll auch eine entsprechende Abgeltung möglich sein.
FPÖ
GRÜNE
Wenn es wirklich zu den wie oben beschriebenen Änderungen in der Ausbildung und damit auch zu einem Paradigmenwechsel bei den Aufgabenstellungen kommt, wird es diese Anpassungen natürlich brauchen. Daher auch unser Hinweis weiter oben, dass es für eine gesamthafte Novellierung auch die Länder und die Kommunen brauchen wird.
NEOS
KPÖ
Rettungsdienste sind natürlich sehr viel mehr als ein Transportdienstleister und auch medizinische Leistungen sollen besser berücksichtigt werden.
KEINE
Natürlich sind die Rettungsdienste als Gesundheitsdienstleister zu betrachten, auch wenn Transportdienstleistungen erbracht werden. Die Leistungsabrechnung soll so angepasst werden, dass Krankentransporte in jedem Fall kostendeckend angeboten werden können. Das impliziert auch, dass ein Krankentransport niemals günstiger als eine Taxifahrt sein kann (was derzeit ja teilweise der Fall ist). Im Übrigen sind wir der Ansicht, dass die Vergütung für Krankentransporte und Rettungseinsätze bundesweit einheitlich sein sollte.
ÖVP
siehe oben
SPÖ
Die vorgeschlagene Ausbildungsreform kann dazu führen, dass entsprechend ausgebildete Sanitäter:innen einen wesentlichen Beitrag zur präklinischen Versorgung leisten und somit auch zur Entlastung der ärztlichen Versorgung beitragen können.
FPÖ
GRÜNE
NEOS
Als notwendigen Aspekt.
KPÖ
Kann und soll ein Teil der Lösung sein, allerdings darf auch das Rettungssystem nicht überstrapaziert und mit neuen Aufgaben überladen werden. Die Arbeitsbedingungen müssen auch für Sanitäter:innen, beruflich wie ehrenamtlich, verbessert werden.
KEINE
Eine Ausweitung der Ausbildung sollte – wie bereits oben ausgeführt – immer möglich sein. Wenn damit aber unter der Hand höhere Anforderungen eingeführt werden, kann das aber auch zu einer Senkung der Attraktivität des Berufs führen, wodurch sich die Versorgungssicherheit erst recht wieder verschlechtern würde. Priorität muss sein, genug gutes und glückliches Personal zur Verfügung zu haben. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist aber natürlich klar, dass Sanitäter:innen mit erweiterter Ausbildung eine Bereicherung für unser Gesundheitssystem darstellen werden.
ÖVP
Zuerst muss man die Gesamtsystematik wie oben dargestellt erstellen und umsetzen. In diesem Zusammenhang erscheint eine solche Aufnahme durchaus sinnvoll.
SPÖ
Das wird von uns befürwortet.
FPÖ
GRÜNE
Im Rahmen der angesprochenen Novelle soll auch das geprüft werden.
NEOS
Wir fordern eine Reform des Gesundheitsberuferegisters, um eine bessere Datenbasis über Gesundheitspersonal zu erhalten und so gerade in den Personalfragen informiertere Entscheidungen treffen zu können. Eine zugehörige Erweiterung um Gesundheitsberufe, die noch nicht in dem Register erfasst sind, gehört für uns dazu.
KPÖ
Dafür
KEINE
Ja, das halten wir für sinnvoll.
ÖVP
Das sehen wir derzeit nicht. Hier sind mit Sicherheit noch weiterführende detailliertere Gespräche zu führen.
SPÖ
Das wird von uns befürwortet.
FPÖ
GRÜNE
NEOS
KPÖ
Dafür, auch die Pflege soll wieder als Schwerarbeit anerkannt werden.
KEINE
Wir streben eine umfassende Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Sanitäter:innen (inkl. Bezahlung) an. Das Nachtschwerarbeitergesetz geht für uns in dieser Hinsicht nicht weit genug.
ÖVP
Da das Rettungswesen in der Verantwortung der Länder liegt gibt es neun unterschiedliche Regelungen. Diese Unterschiedlichkeit führt zu teils unterschiedlichen Versorgungsgraden für die Bevölkerung. Vereinheitlichungen des auf Bundesebene wären hier sicher sinnvoll und sollten – in Zusammenarbeit mit den beteiligten Organisationen auf regionaler und Landesebene – umgesetzt werden.
SPÖ
Die Maßnahmen unterstützen wir vollinhaltlich.
FPÖ
GRÜNE
NEOS
Es braucht jedenfalls mehr Transparenz und Vereinheitlichungen und gerade im Gesundheitsbereich fehlt es oft an Daten. Ein bundesweites Reanimationsregister beziehungsweise eine Vereinheitlichung der bundesländerspezifischen Register und eine Veröffentlichung im Rahmen des Forschungsorganisationsgesetzes fordern wir daherr unabhängig von Debatten über den Rettungsdienst.
Wie bereits erwähnt wäre es im Sinne einer einfacheren Abwicklung und transparenteren Finanzierung wünschenswert, die Zuständigkeit des Rettungswesens generell zu ändern. Aufgrund der aktuellen Systematik und mangelnden Vergleichbarkeit in der Finanzierung zwischen den Bundesländern wäre die Erstellung einer Finanzierungssystematik für eine 15a-Vereinbarung mit enormen Herausforderungen verbunden. Klar ist aber, dass eine Weiterentwicklung des Berufsbildes nur ein Schritt ist, der von der Bundesebene angestoßen werden kann. Gesamtstaatlich muss es aber im Interesse aller Beteiligten sein, im Rettungswesen auch in der Qualität und Abwicklung transparente und bundesweit einheitliche Sicherungssysteme zu erarbeiten – um der Bevölkerung in allen Bundesländern einen vergleichbaren und bestmöglichen Standard zu bieten und den idealen Beitrag zu einer niederschwelligeren Gesundheitsversorgung zu leisten.
KPÖ
Eine Angleichung der Regelungen in den Bundesländern ist generell anzustreben, wobei darauf zu achten ist, dass die Angleichung an den für Personal und Patient:innen besten Niveaus erfolgt und die Finanzierung sichergestellt ist.
KEINE
Das halten wir für sinnvoll.
Diese Maßnahme ist grundsätzlich vernünftig, weil sie eine sachliche Aufteilung von Aufgaben fördert und eine bessere Koordination der gegebenen Ressourcen verspricht. Allerdings würden wir bei der Umsetzung dieser Maßnahme keine gut funktionierenden Strukturen zerstören wollen. In diesen Fällen wäre daher alternativ eine Einführung von Kontrollinstanzen, die für Unabhängigkeit sorgen, in Erwägung zu ziehen.
Maßnahmen im Bereich Qualitätsmanagement sind grundsätzlich sinnvoll, teilweise laufen diese allerdings dem Wunsch nach möglichst wenig Bürokratie zuwider. In diesen Fällen braucht es eine vernünftige Balance.
Eine einheitliche Hilfsfrist sehen wir als nicht zielführend an, weil sich die örtlichen Gegebenheiten österreichweit doch sehr stark unterscheiden. Ziel muss sein, regional das bestmögliche Angebot zur Verfügung zu stellen.
BIER
Vielen Dank für Ihre Nachricht und das Interesse des Bundesverbands Rettungsdienst an unseren Positionen. Wir schätzen Ihre Arbeit und den Einsatz für ein modernes, patientenorientiertes Rettungswesen sehr.
Wir teilen Ihre Einschätzung, dass der Rettungsdienst in Österreich dringend eine Aufwertung braucht. Besonders die Bedeutung der Sanitäterinnen und Sanitäter im Gesundheitssystem verdient mehr Anerkennung und eine zeitgemäße Ausbildung, die ihrer Verantwortung gerecht wird. Ihr Vorschlag zur Novellierung des Sanitätergesetzes und zur Verbesserung der Ausbildung findet bei uns grundsätzlich Unterstützung.
Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihre Fragen aus Zeitgründen aktuell nicht beantworten können. Wir wollen nicht mit Allgemeinplätzen antworten, sondern uns mit den Problemen und Fragestellungen ernsthaft auseinandersetzen. Wir sind uns der Bedeutung des Rettungsdienstes bewusst und möchten nach der Nationalratswahl gerne in einen Austausch mit Ihnen treten, um gemeinsam an nachhaltigen Lösungen zu arbeiten.
Nochmals vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme und Ihr Engagement. Wir freuen uns darauf, nach der Wahl im Dialog zu bleiben.
LMP
Uns ist es ein großes Anliegen, Fragebögen in Ruhe und Gewissenhaft auszufüllen, dies benötigt Zeit, die derzeit nicht so gegeben ist, dass wir dies in der von uns gewünschten Aufmerksamkeit und Qualität machen können. Daher können wir Ihren Fragebogen leider nicht so beantworten, wie wir es wollen.