PRESSEINFO zur aktuellen Situation: Notärzte-Mangel und Überlastung der Mitarbeiter:innen im Rettungsdienst und Krankentransport

  • Bessere Ausbildung für Sanitäter:innen als Teil der Lösung für zunehmenden Notärztemangel
  • Ausbildung und Rahmenbedingungen für Sanitäter:innen müssen dringend grundlegend reformiert werden

Seit mehreren Jahren häufen sich trotz zahlreicher Bemühungen und Reformierungsbestrebungen die Meldungen über eine unzureichende Versorgung der österreichischen Bevölkerung durch Notärztinnen und Notärzte. Oft ist in diesem Zusammenhang von Systemfehlern, mangelnder Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen und Problemen im Dienstrecht die Rede.

Dabei wird der naheliegendste Lösungsansatz konsequent übersehen: Die Höherqualifizierung von Rettungs- und Notfallsanitäter:innen. Ohne auf Notärzte zu verzichten, sollte es vielmehr darum gehen, deren hohe fachliche Qualifikationen dort einzusetzen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Notfälle, für die es klar definierte Standards und Guidelines gibt, können bei einer entsprechenden Qualifizierung nach internationalen Standards in die Verantwortung von kompetenten, hochqualifizierten und gut ausgebildeten Sanitäter:innen übertragen werden.

Denn der Mangel an Notärzten darf nicht auf Kosten des Patientenwohls ausgetragen werden. Er darf auch nicht auf dem Rücken von Sanitäter:innen ausgetragen werden, die ohne notärztliche Unterstützung in Situationen geschickt werden, für die sie weder vorbereitet noch ausgerüstet sind.

Geringer Ausbildungsstand der Sanitäter:innen führt zu hohem Notärztebedarf

Die zwei Bereiche hängen eng zusammen: je geringer die Qualifizierung von Sanitäter:innen, umso größer der Bedarf an Notärzten – und das obwohl bei weit mehr als der Hälfte der Notarzt-Einsätze überhaupt keine notärztliche Intervention erforderlich ist. Gut ausgebildete Sanitäter:innen könnten ins solchen Fällen – so wie in allen Nachbarländern Österreichs und international üblich – die qualifizierte Versorgung übernehmen, während Notärzt:innen dort zum Einsatz kommen, wo sie dringend gebraucht werden.
Die höhere Qualifizierung von Sanitäter:innen ist eine dreifache Gewinnsituation: Sie macht das Berufsfeld der Sanitäter:innen attraktiver und entlastet die Notärzt:innen. Die größten Gewinner:innen sind aber die, um die es geht: Patient:innen erfahren rascher die hochwertige Versorgung, die sie brauchen.

Wenn es um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung geht, muss das Rettungssystem in Österreich ganzheitlich und unter Berücksichtigung aller Berufs- und Tätigkeitsgruppen betrachtet werden. Mit einer Lösung, die an der Basis ansetzt, könnte man durch die Qualifizierung von Sanitäter:innen zur Stütze unseres Rettungssystems breitenwirksam vieles bewirken. Ein solches System muss nicht neu erfunden werden. International gibt es dafür zahlreiche sehr erfolgreiche Beispiele. Es reicht ein Blick über die Grenzen Österreichs hinaus um zu erkennen, wie weit wir unseren Nachbarn in Sachen Ausbildung und Qualitätsstandards bereits hinterherhinken.

Rettungsdienst und Krankentransport mit Investitionen in die Berufsgruppe der Sanitäter:innen vor dem Totalzusammenbruch retten

Ein großer Mantel des Schweigens liegt darüber, dass der Rettungsdienst und Krankentransport auch auf Seiten der Sanitäter:innen seit Monaten drastisch unterbesetzt ist. Da und dort beginnt er zu bröckeln, Hilferufe erreichen uns aus allen Ecken des Landes. Pausenzeiten werden nicht mehr eingehalten, von Bereitschaftszeiten ganz zu schweigen. Ganze Rettungswachen sperren Tage- und Nächteweise zu. Unter vorgehaltener Hand spricht man von Glück, dass noch nicht mehr Menschen zu Schaden gekommen sind oder die Kenntnis davon keine Öffentlichkeit erreicht. Langgediente, erfahrene Kolleg:innen kündigen oder resignieren, die stets hohe Anzahl an Krankenständen rundet das Gesamtbild ab. Die Alarmglocken, die monatelang gekonnt ignoriert wurden, dringen mancherorts langsam durch; das alles viel zu spät. Denn eine Abwärtsspirale ist längst im Gang. Es geht nicht mehr um das Stopfen vereinzelter Löcher. Es geht jetzt darum, den Totalzusammenbruch zu verhindern. Wir müssen das Rettungswesen und den Krankentransport österreichweit neu denken und in das 21. Jahrhundert bringen. Ein wesentlich Schlüssel dafür liegt eben genau in der Qualifizierung von Sanitäter:innen; ein weiterer in der Trennung von qualifiziertem Krankentransport, Rettungsdienst und Einsätzen, die andere Expertisen erfordern. Die Anforderungen und das System hat sich über jeden „one size fits all“-Ansatz längst hinausentwickelt und insbesondere dann, wenn der sich am untersten möglichen Ausbildungsniveau orientiert.

Die Geringschätzung der Arbeit von Sanitäter:innen, mangelnde Berufsperspektiven, ein fehlender Berufsschutz und vielerorts prekäre Arbeitsbedingungen führen dazu, dass es immer schwieriger wird, berufliches und freiwilliges Personal für den Rettungsdienst und Krankentransport zu gewinnen. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht, dass eine Ausweitung der Ausbildung von Sanitäter:innen – einhergehend mit einer Erweiterung der Kompetenzen und des Verantwortungsbereichs – abschreckend wirken würden, ist genau das Gegenteil der Fall: Kolleginnen und Kollegen schrecken nicht vor der längst überfälligen Reform einer Ausbildung und den steigenden fachlichen Anforderungen ihres Berufs zurück, sondern vielmehr vor den fehlenden Perspektiven bei miserablen Rahmenbedingungen. Selbst bei langjähriger Tätigkeit in der präklinischen Notfallversorgung – einem der zweifelsfrei herausforderndsten Tätigkeitsbereiche überhaupt – bleibt Kolleg:innen der Umstieg in andere Bereiche im Gesundheits- und Sozialwesen mit ihrem derzeitigen Ausbildungsstand verwehrt. Angesichts aktueller und künftiger Herausforderungen im gesamten Gesundheits- und Sozialbereich ist das nicht nur kurzsichtig sondern völlig inakzeptabel.

Was es braucht

Lösungen, Ansätze und Forderungen gibt es viele. Einige wenige sind hier kurz angesprochen:

  • Berufliche Qualifikation für Notfallsanitäter:innen mit mindestens dreijähriger dualer Ausbildung und Möglichkeit einer akademischen Anbindung
  • Registrierung von Sanitäter:innen im Gesundheitsberuferegister
  • Schaffung von Berufspfaden und Entwicklungsmöglichkeiten
  • Forschung
  • Schaffung einer unabhängigen Qualitätssicherung im Rettungswesen
  • Einheitliche Richtlinien und Qualitätsstandards in allen Bundesländern
  • Aufwertung der Freiwilligkeit

Sanitäter:innen sind Teil der Lösung. Wir können und wollen Zukunft mitgestalten.

Hinweis

Positionspapier de BVRD.at: https://www.bvrd.at/positionspapier-zukunft-rettungsdienst-quo-vadis-berufsbild/
Vorträge im Rahmen der Veranstaltung „20 Jahre Sanitätergesetz – Höchste Zeit für Veränderung!“ https://www.bvrd.at/20-jahre-sanitaetergesetz/

  • Vortrag BVRD.at Clemens Kaltenberger ab Stunde 1:03
  • Vortrag Minister Johannes Rauch ab Stunde 6:12

Über den BVRD.at

Der BVRD.at ist eine organisationsübergreifende Plattform und versteht sich als Fachvertretung und Interessensgemeinschaft aller im präklinischen Bereich tätigen Personen, insbesondere der Sanitäter:innen aller Ausbildungsstufen. Der BVRD.at engagiert sich in drei Bereichen: Fachliche Förderung (fachliche Weiterbildung durch evidenzbasierte, standardisierte und international anerkannte Kursformate), Vernetzung (organisationsübergreifende Vernetzung aller präklinisch Tätigken inkl. Schnittstellenkommunikation) und Bewusstseinsbildung (Kommunizieren der Anliegen eines modernen, patientenorientierten Rettungsdienstes)
Der BVRD.at hat zuletzt die „Initiative Zukunft Rettungsdienst“ mit initiiert und engagiert sich für die Weiterentwicklung des Rettungswesens und eine Reform des SanG.