Stellungnahme NÖ Mindestausstattungsverordnung

Stellungnahme zum Entwurf VO über die NÖ-Rettungsdienst Mindestausstattungsverordnung 2017

Sehr geehrte Damen und Herren!
Nachstehend übermittle ich meine Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf zur im Betreff genannten Verordnung, wobei nachfolgend zur leichteren Lesbarkeit lediglich die männliche Form der jeweiligen Berufsbezeichnung angeführt ist, die beide Geschlechter gleichermaßen erfassen soll:

1. Vorbemerkungen

Obwohl in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf auf die ÖNORM EN1789 „Rettungsdienstfahrzeuge und deren Ausrüstung „Krankenkraftwagen“ hingewiesen wird, werden die Vorgaben der ÖNORM EN1789 über weite Strecken nicht eingehalten.

Da bekanntlich Normen den (internationalen) Stand der Wissenschaft und Technik widerspiegeln, ist daher festzuhalten, dass wesentliche Teile der Verordnung nicht dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen.

Zudem zeigt beispielsweise ein Vergleich mit der Durchführungsverordnung zum Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, die die Vorgabe der ÖNORM EN1789 fast vollständig abbildet, dass der Standard in Niederösterreich um ein vielfaches niedriger angesetzt wird, als im Nachbarbundesland.

Dies gefährdet Patienten und sollte dringend abgeändert werden:

2. Ausgestaltung der RTW

Insbesondere ist vor dem Hintergrund des erwähnten internationalen Standards zu fordern, dass ein Notfallpatient in einem TYP C Fahrzeug gemäß ÖNORM EN 1789 transportiert wird. Dies entspricht dem aktuellen Stand der Wissenschaft und wird in nahezu ganz Europa und Amerika auch so gelebt.

Mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf soll demgegenüber in Niederösterreich ein „Österreichisches Unikat“ festgeschrieben werden, nämlich die Behandlung und der Transport von Schwer(st)verletzten und schwer(st)kranken Patienten in einem RTW, der im internationalen Standard als Notfallkrankenwagen (ÖNORM EN 1789 Typ B) lediglich der Erstversorgung und dem Transport von Patienten dient, die gerade keiner erweiterten Behandlung und überwachung im Sinne einer präklinischen Notfallmedizin bedürfen.

Dies ist gegenständlich umso beachtlicher, als in Niederösterreich jeder RTW ein potentieller NAW ist: Aufgrund der in Niederösterreich beschlossenen und derzeit stattfindenden flächendeckenden Umstellung von NAW auf NEF, findet ein notarztbegleiteter Patiententransport nur mehr in RTW statt. Sämtliche RTW sollten daher, um dem in § 7 Abs. 2 letzter Satz NÖ RDG geforderten „Regeln der Technik“ und dem „Stand der Medizin“ zu entsprechen, als Fahrzeuge gemäß ÖNORM EN 1789 Typ C ausgestaltet und ausgestattet sein.

3. Stellungnahme zu einzelnen Bestimmungen des Verordnungsentwurfes

3.3. Zu § 2 des Entwurfes

Sowohl in § 2 Abs. 2 Z 2 als auch in § 2 Abs. 4 des Entwurfes werden derzeit in Niederösterreich im Einsatz stehende Techniken (TETRA-Funk als Behördenfunknetz) und Produkte (Abfragesystem AMPDS) ausdrücklich genannt. Es empfehlen sich an dieser Stelle offenere Formulierungen:

  • 3.3.1. Einerseits sollte in § 2 Abs. 2 Z 2 des Verordnungsentwurfs anstelle einer Festschreibung des IST-Zustandes lediglich festgehalten sein, dass eine Anbindung an das Behördenfunknetz notwendig ist.
  • 3.3.2. Zudem gibt es weltweit sehr viele standardisierte Notrufabfragesyteme. Durch ausdrückliche Nennung des AMPDS, ein System bzw. eine Marke des Unternehmens „Priority Dispatch Corporation“, wäre eine Verordnungsä?nderung notwendig, um das System wechseln zu können. Sinnvoller wäre nur die Standardisierung der Notrufabfrage zu fordern, ohne ein konkretes Produkt in die Verordnung aufzunehmen. Zudem stehen der expliziten Vorgabe der Verwendung eines konkreten Produktes eines konkreten Unternehmens vergaberechtliche Bedenken entgegen.
3.4. Zu § 4 des Entwurfes
  • 3.4.1. Derzeit ist in Abs. 1 und Abs. 2 enthalten, dass das Personal eine Ausbildung gemäß SanG „BGBl I Nr. 30/2002 in der Fassung BGBl I Nr. 8/2016“ aufweisen muss. Damit wird jedoch die Fassung eines Bundesgesetzes zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung sozusagen „versteinert“. Der Verweis sollte daher angepasst, sodass Personal eine Ausbildung als Rettungssanitäter bzw. Notfallsanitäter gemäß SanG (und nicht nach einer expliziten Fassung desselben) aufweisen muss. Andernfalls müsste wohl die Verordnung bei Änderungen des SanG auch geändert/angepasst werden.

Zudem sollten sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 dahingehend angepasst werden, dass das Personal über eine aufrechte Tätigkeitsberechtigung als Rettungssanitäter/Rettungssanitäterin bzw. Notfallsanitäter/Notfallsanitäterin verfügen sollte. Eine abgeschlossene Ausbildung alleine stellt aufgrund der laufenden Fort- und Rezertifizierungsverpflichtungen nach § 50 und 51 SanG nicht zwangsläufig eine aufrechte Tätigkeitsberechtigung dar.

  • 3.4.2. In § 4 Abs 1 ist derzeit vorgesehen, dass das in RTW eingesetzte Personal zumindest eine Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert haben muss. Da es aufgrund der flächendeckenden Umstellung von NAW auf NEF in Niederösterreich nur noch ein Rendezvous-System zwischen NEF und RTW gibt, muss ein notarztpflichtiger Patient in einem RTW unter Begleitung eines Notarztes transportiert werden. Während des Transportes muss der Notarzt über einen Sanitäter verfügen können, der gesetzlich auch berichtigt ist ihm zu assistieren; zudem ist nach SanG nur ein Notfallsanitäter (nicht aber ein Rettungssanitäter) berechtigt, den Transport eines Notfallpatienten durchzuführen (vgl. insb. die Tätigkeitsbereiche eines Rettungs- bzw. Notfallsanitäters nach § 9 und 10 SanG). Nun sieht Abs 2 zwar vor, dass der NEF-Fahrer ein Notfallsanitäter sein muss. Dieser ist jedoch während des Patiententransportes nicht im Behandlungsraum des RTW, somit nicht beim Patienten, und kann daher weder dem Notarzt während des Transportes assistieren noch den Transport durchführen. Es ist daher im Interesse der Patienten an einer qualifizierten Versorgung zu fordern, dass jeder RTW mit einem Notfallsanitäter zu besetzen ist und dieser sich während des Patiententransportes im Behandlungsraum befinden muss. Eine solche Regelung ist zudem auch im Interesse der „oft freiwilligen“ Sanitäter, stellt doch eine Übertretung der Tätigkeitsberechtigung nach SanG eine Verwaltungsstrafe dar (vgl. Ai?? 53 SanG).
  • 3.4.3. Zudem fehlt in § 4 eine Regelung, wonach Notarztmittel (NAW, NEF und NAH) nicht nur mit entsprechend qualifizierten Sanitätern, sondern auch mit entsprechend qualifizierten Notärzten, die über sämtliche Voraussetzungen zur Ausübung der notärztlichen Tätigkeit gemäß ÄrzteG verfügen, zu besetzen sind.
3.5. Zur Anlage des Verordnungsentwurfes
  • 3.3.1. Allgemeines
    Jeder RTW ist als Typ C Fahrzeug nach der EN 1789 zu konzipieren, da jeder RTW Notfallpatienten und notarztpflichtige Patienten transportiert und somit analog dem NAW (nur ohne Arzt) ausgestattet werden muss (vgl. schon Punkt 2 dieser Stellungnahme).
    Hinsichtlich der mitzuführenden Ausrüstungsgegenstände wäre hinsichtlich der KTW als auch RTW/NAW (diese sind, wie dargestellt, schon aufgrund des Rendezvous-Systems in Niederösterreich ident auszustatten), ein dynamischer Verweis auf die ÖNORM EN 1789 denkbar, die in Punkt 6.5. detaillierte Ausrüstungstabellen enthält.
    Jedenfalls aber sollten die aufgelisteten Ausrüstungsgegenstände nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik beschaffen sein. Dies gewährleistet insb. ein Verweis auf die jeweils gültige europäische Norm (zB EN 794 für Beatmungsgeräte oder EN 1865 für das Tragetuch und die Patiententrage).
  • 3.3.2. Zur Ausrüstung der verschiedenen Notarztmittel

a) Nicht ersichtlich ist, weshalb nach dem derzeitigen Verordnungsentwurf ein Patient, der von einem Notarzt, der auf einem NEF bzw. NAH eingesetzt wird, wesentlich umfangreicher und (eher) dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechend versorgt werden kann, als ein Patient, der von einem Notarzt, der auf einem NAW eingesetzt wird. Jeder Patient hat das Recht, von einem Notarzt, unabhängig davon welches Notarztmittel zu ihm disponiert wird, auf die gleiche, adäquate Weise versorgt zu werden, sodass auch in einem NAW (und nicht nur einem NEF bzw. NAH) folgende Materialien vorzuhalten sind:

  • Material für das Management des schwierigen Atemwegs inkl. optische Intubationshilfe (Videolaryngoskop,..)  s. dazu im übrigen nachstehend Punkt 3.3.2.d)
  • Notfallbeatmungsgerät mit der Möglichkeit zur nichtinvasiven Beatmung;
  • Manueller biphasischer Defibrillator mit Klebeelektroden
  • 12-Kanal-EKG überwachungsgerät mit Datenübertragungsmöglichkeit (anstelle lediglich eines 6-Kanal-EKG)
  • Invasive Druckmessung (IBP)
  • Externer Herzschrittmacher
  • Material für lebensrettende, invasive Eingriffe (Pleurapunktion, Koniotomie,…) s. dazu im übrigen Punkt
  • intraossäre Zugänge
  • Perfusor

b) Auch ein NEF sollte auch mit Ausrüstung zur Immobilisierung ausgestattet werden. Nach internationalen Leitlinien erfolgt etwa die Stabilisierung der Halswirbelsäule bei Unfallpatienten parallel zur Atemwegssicherung ganz zu Beginn der Versorgung. Sofern daher ein NEF vor einem weiteren Rettungsfahrzeug bei einem Patienten eintrifft, so fehlen essentielle Materialien zur Behandlung des Patienten. Dies wiederspricht auch §5 des Verordnungsentwurfs selbst.

c) Zudem sollte auch der NAH die Möglichkeit einer nicht invasiven Beatmung verfügen, da dies dem aktuellen Stand der Wissenschaft in der präklinischen Notfallmedizin entspricht.

3.3.3. Zur Ausrüstung der RTW

a) Der Verordnungsentwurf lässt unberücksichtigt, dass auf RTW nicht nur Rettungssantitäter sondern auch Notfallsanitäter zum Einsatz kommen, die über die allgemeinen Notfallkompetenzen Arzneimittellehre bzw. Venenzugang und Infusion gemäß § 11 SanG bzw. die besondere Notfallkompetenz Beatmung und Intubation gemäß § 12 SanG verfügen können. Diese Notfallkompetenzen wurden vom Bundesgesetzgeber eingeführt, damit Notfallsanitäter zur Abwehr von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit eines Notfallpatienten gewisse, den Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten nach Maßgabe des SanG ausüben dürfen.
Die Tatsache, dass nach dem Verordnungsentwurf auf RTW über weite Strecken das dafür erforderliche Material nicht vorgehalten werden muss, gefährdet Patientenleben.

Mit Hinblick auf die Möglichkeit der Ausübung der Notfallkompetenzen durch entsprechend qualifiziere Notfallsanitäter sollte daher im Interesse der Patienten auch auf einem (einfachen) RTW folgendes Material vorgehalten werden:

  • Tragbare Einheit zur Intubation
  • (einfaches) Beatmungsgerät
  • Kapnometrie
  • Materialen für die Verabreichung von Infusionen und Applikation von Medikamenten

b) Da die Messung der Körpertemperatur eine Standardmaßnahme der präklinischen Notfallmedizin darstellt, die bei jedem Notfallpatient auch wenn kein Notarzt beigezogen werden muss durchgeführt werden sollte, sollten nicht nur NAW/RTW-C, NEF und NAH mit einem Thermometer ausgestattet werden müssen, sondern auch (einfache) RTW.

c) Selbiges gilt auch für die Diagnostik-Leuchte zur Pupillendiagnostik. Die Beurteilung der Pupillen wird bereits Rettungssanitätern gelehrt wird, sodass Rettungssanitätern auch die Möglichkeit gegeben werden sollte, das Erlernte zum Wohle des Patienten einzusetzen.

d) Ein RTW bedarf verpflichtend eines Geburtensets. Es werden jedes Jahr einige Kinder in der Präklinik zur Welt gebracht, wobei in vielen dieser Fälle, der alarmierte Notarzt erst nach der Geburt eintrifft. Dem Sanitäter nun seine Arbeitsmaterialen nicht zur Verfügung zu stellen, entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft.

3.3.4. Zur Ausrüstung der RTW

a) Die Besatzung eines RTW ist am Notfallort denselben Gefahren ausgesetzt, wie die Besatzung eines NEF, NAW oder NAH. Daher sollten auch für die Besatzung der RTW Sicherheitsschuhe und Schutzhelme mit Klarsichtvisier oder Schutzbrille vorgesehen werden.

b) Zudem dienen Sicherheitsschuhe auch dem Schutz von Verletzungen nicht nur am Notfallort (zB bei einem Unfall auf der Autobahn), sondern ganz generell dem Schutz vor Verletzungen. Daher sollten auch für die Besatzung von KTW und BKTW Sicherheitsschuhe zur verpflichtenden Schutzausrüstung zählen.

c) Schutzausrüstung für Infektionspatienten in einem BKTW nicht vorzuhalten entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft. Auch gehende Pateinten können Infektionen haben, die sich durch nicht ausreichende Schutzmaßnahmen verbreiten können.

Im Namen des BVRD.at – Bundesverband Rettungsdienst

Dr. Daniel Staribacher
Notfallsanitäter (NKI), Notarzt, Leitender Notarzt
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverstädiger für Sanitätsdienste

Der BVRD.at – Bundesverband Rettungsdienst ist eine organisationsübergreifende Plattform für alle im präklinischen Gesundheitsbereich Tätigen. Wir engagieren uns für die Weiterentwicklung einer hochwertigen präklinischen Versorgung. Als Partner der NAEMT bietet der BVRD derzeit folgende international anerkannte und standardisierte Fortbildungen an: PHTLS (www.phtls.at), AMLS (www.amls.at) und EPC (www.epc-austria.at)